Kims Comiczeichenkurs Forum

Hmm, ich muß gestehen, von diesem Comic habe ich noch nie was gehört. Ich hab was im Internet gefunden, bin aber nicht sicher ob es das ist:

AUSZEICHNUNG für Sharon Denning (USA):
”The Exquisite Corps”
http://www.repohistory.org/circulation/exquisite
In ”The Exquisite Corpse” kann man das Wachsen und Entstehen einer Meta-Geschichte aus vielen einzelnen Geschichten beobachten oder daran teilhaben. Die von den Internet-Usern hinzugefügten Stories und Episoden ergeben Ihrerseits ein neues Ganzes. Allerdings wird hier keine lineare Geschichte von verschiedenen Personen weitergeschrieben, sondern der Benutzer kann sich selbst aus den Story-Fragmenten seine eigene Geschichte zusammenstellen und diese wiederum mit Zusätzen aus seinem Erfahrungsschatz oder seiner Phantasie erweitern.
(www.netzwissenschaft.de)

Und dann habe ich in der TAZ noch was ganz Interessantes zu dem Begriff gefunden:

Das Verfahren stammt von den Surrealisten. Einer fertigt eine Zeichnung an und reicht sie an einen Zweiten weiter, und zwar so, dass dieser nur einen kleinen Ausschnitt sieht. An dieser Stelle setzt er seine eigene Zeichnung an und gibt sie, sobald er damit fertig ist, an einen Dritten weiter. Auch der kann nur einen kleinen Teil dessen sehen, was seine Vorgänger gezeichnet haben. Corps exquisite heißt dieses Verfahren; in einer einfachen Form kennt man es von den Geburtstagsfesten der Kindheit, als man es sowohl mit Sätzen als auch mit Tier- oder Menschenbildern praktizierte.

Zitat

Original von night
Ich wollte euch mal fragen, ob das jemand von euch kennt und wenn ja, was ihr davon haltet.

Exquisite Corpse ist die Geschichte eines Serienmörders, die in drei kleinen Heftchen aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt wird. Es sind sehr harte, teilweise kalte Bilder und ich fand dass die Geschichte insgesamt nur zu verstehen ist, wenn man alle Heftchen gelesen hat. Es fehlt sonst immer ein Puzzle-Teil.

Darüber gestolpert bin ich, weil es mal auf dem Index stand und nicht verkauft werden durfte, da in einem der Heftchen der Missbrauch durch den Vater dargestellt wird. Für einen normal denkenden Menschen sicherlich keine anturnende Szene, wie das ein Mensch mit pädophilen Neigungen sehen würde weiss ich nicht, von daher vielleicht schon etwas kritisch zu betrachten.

Ich weiss selber nicht so genau, was ich davon halten soll. Das Konzept mit dem 3 Bänden und unterschiedlichen Sichtweisen find ich wirklich sehr interessant, die Story selber sehr verwirrend.

Kennt das einer von euch?

Ich hab' mir den Comic vor ungefähr sieben oder acht Jahren gekauft - der war zwar ganz normal im Comicladen zu erwerben, aber seine Index-Welle wurde damals schon mächtig aufgebauscht...aber es hat gewirkt, sonst hätte er mich damals wohl nicht so sehr interessiert.

Zum Comic an sich hab' ich ein eher zwiespältiges Verhältnis. Handwerklich ist das Ding ganz, ganz groß! Ich kenne keinen Comic, der den dargestellten Nihilismus übertrifft...beitragend ist ein absolut exzellentes Artwork, das immer wieder geschickt zwischen Semi-Realismus und Surrealismus pendelt. Die Panels sind in ihrer Konzeption absolut hervorragend angelegt und die Story-Line - wenn man das so nennen will - ist geschickt über die drei Hefte verteilt.
Die gesamte Geschichte handelt im Grunde lediglich davon, wie ein Mann zum Gewalttäter wird. Jedes der drei Hefte bildet ein Fragment im Untergang des Mannes, deshalb kann man die Hefte willkürlich lesen. Gegenwärtiges kann zur Rückblende oder Zukunftsvision werden - je nachdem, wie man's liest. Es gibt keine Nummerierung, also ist man da der Willkür ausgeliefert. In der Beziehung eine wirklich einzigartige und spannende Reihe!

Was mir dagegen auch eher etwas Magenschmerzen macht, ist die besagte Szene mit dem Kindes-Missbrauch. Der Comic bezieht dabei eindeutig Position und es wird schon sehr schockierend und in keinster Weise "antörnend" dargestellt. Im Grunde handelt es sich dabei um Doppelseite, die in der Abbildung keine Rücksicht nimmt und damit ihren Zweck erfüllt - eben den Leser massiv zu verstören.
Im Nachhinein kommt die Überlegung, ob dieser Storyaspekt wirklich in dieser Drastik nötig gewesen ist. Das Gesamtkonzept hätte auch ohne dieses Panel funktioniert und man kann da nur spekulieren, inwieweit die Autoren da auf einen "Skandal" abzielen wollten...

Fazit: kann ich nicht vorbehaltlos empfehlen! In seiner Form ein einzigartiges Kunstwerk, das würd' ich schon behaupten, aber wer mit solchen morbiden Comics wenig Erfahrung hat oder generell nichts anfangen kann, der sollte es bleiben lassen.

Die deutschen Ausgaben hatten seinerzeit übrigens eine Box und ein Extra-Heft, in dem der Comic ausführlich abgehandelt wird...