Samstag ist gewöhnlich der hektischste Tag beim Comic Salon. Das scheint mir auch in diesem Jahr so gewesen zu sein. Und ich hatte heute auch eine Menge zu tun. Das bedeutet: Es gibt einiges zu erzählen, aber ich hatte nicht so viel Gelegenheit zu fotografieren.
Zunächst habe ich heute morgen etwas Zeit auf der traditionellen Comicbörse im Einkaufszentrum gegenüber der Kongreßhalle (siehe erstes Foto) vertrödelt. Sie findet immer am Comic-Salon-Samstag statt. Dort habe ich dann nicht nur fotografiert, sondern auch selbst in den Kisten gewühlt und ein paar Kindheitserinnerungen aufgefrischt. Kostete mich letztlich eine Stunde und rund 50 Euro. Aber ich hätte mich sicher geärgert, wenn ich die Börse links liegen gelassen hätte, obwohl es auch in der Kongreßhalle eine kleinere Börse gibt.
Dann eilte ich jedoch zum Fanzinestand, um meine Umfrage wegen Veröffentlichungsmöglichkeiten für Newcomer abzuschließen. Zuerst hatte ich mit dem österreichischen Projekt „Tisch 14“ gesprochen (
www.pictopia.at). Dort werden zwar Wiener Comiczeichner bevorzugt und Themenvorgaben für Comics gemacht, aber es hieß: „Wir nehmen gern Gastbeiträge auf.“ Die Zeichnerinnen Amelie Persson und Isabel Ristow winkten ab. Sie veröffentlichen nur ihre eigenen Arbeiten, wiesen aber auf den Verlag Schwarzer Turm (
www.schwarzerturm.de) und das Magazin „Spring“ (
www.springmagazin.de) hin, wo vor allem Nachwuchszeichnerinnen Chancen haben.
Bei „Buddelfisch Comics“ (
http://online.buddelfisch.de) hörte ich, man sei eigentlich eine feste Dreiergruppe, die gemeinsam veröffentliche, aber es könne gern etwas eingesandt werden. Empfohlen wurden hier als Anlaufstelle für neue Zeichner
www.undergroundcomix.de und
www.toonsup.de. Undergroundcomix wurde zum vorangegangenen Comic Salon 2010 gegründet und ist eigentlich eine Internetplattform, auf der jedermann Comics hochladen kann. Das Portal, das einen kostenlosen Hilfsliniengenerator für Comics anbietet, hat aber auch bereits einige Comics gedruckt und plant laut Mitarbeiter Steff Murschetz die Wiederbelebung des 80er-Jahre-Magazins „U-Comix“. Ähnlich funktioniert auch Toonsup. Laut Mitarbeiter Marco Knorr gibt es eine Zeichner-Community, die ihre Arbeiten gegenseitig beurteilt und sich hin und wieder zu Zeichenjams trifft. Toonsup hat ebenfalls Comicbände veröffentlicht, denn „man möchte doch gern ein Heft anfassen – Papier hat Bestand“, wie Knorr sagte.
Schließlich habe ich mit „Fervente Comics“ (
http://ferventecomics.com) aus Berlin gesprochen und mit einer Mitarbeiterin von „Moerser Attack“ (
http://moerserattack.deviantart.com). Fervente ist ein festes Team, bestehend aus vier Frauen und einem Mann in Berlin, das schon länger ein Fanzine gründen wollte. Den letzten Anstoß gab der ComicClash (ein Wettbewerb auf dem Comic Salon, auf den ich morgen näher eingehe). „Moerser Attack“ ist eher für Comicbeiträge von außerhalb offen. Mein Fazit also: Es gibt nach wie vor einige Veröffentlichungsmöglichkeiten für Comics in klassischer gedruckter Form. Hinter dem ComicClash verbergen sich übrigens nicht weniger als 20 Fanzines und Independent-Magazine. Und schließlich gibt es noch Verlage, die sich aus der Fanszene entwickelt haben wie Gringo Comics, Weissblech Comics oder der Zwerchfell Verlag (dazu vielleicht ebenfalls morgen Näheres).
Nach dem Abschluß dieser Recherche hatte ich Lust, nochmal Zeit zu verplempern. Ein faszinierendes Ärgernis seit dem Comic Salon 2008 ist das Comic-Salon-Stickeralbum von Panini. Das Album bekommt man auf dem Salon kostenlos (auf dem zweiten Foto sieht man Zeichner Haggi Klotzbücher, der gerade ein solches Album signiert). Auch die etwa 220 Aufkleber, die hineingehören, kann man gratis mitnehmen, aber sie sind an den Verlagsständen, in Ausstellungen und an verschiedenen Veranstaltungsorten verstreut. Manchmal sind sie gut versteckt, manchmal schon vergriffen. Das Stickeralbum voll zu bekommen, ist damit fast aussichtslos (es sei denn, man macht auf dem Comic Salon nichts anderes, als Sticker zu sammeln). Dennoch konnte ich nicht widerstehen, mein Glück zu versuchen. Obwohl ich mich heute mittag auf die Socken machte, um möglichst viele Sticker einzusammeln (dabei habe ich das dritte Bild mit den Cosplayern aufgenommen), klaffen noch große Lücken in meinem Album.
Am Nachmittag habe ich zunächst das Künstlergespräch mit Helmut Nickel besucht (den ich oben bereits erwähnt habe). Es fand im gleichen Saal wie die ICOM-Preisverleihung statt, und Nickel („Winnetou“-Zeichner der frühen 1960er Jahre) war von Mitgliedern des Nürnberger Vereins „Trapper und Indianerfreunde“ eingerahmt, die das Leben der amerikanischen Ureinwohner so naturgetreu wie möglich nachvollziehen wollen (Bild vier). Nickel hat seine Comics teilweise in den USA gezeichnet und von seinem Verleger Walter Lehning nach eigener Aussage manchmal weder Honorar noch Belegexemplare (geschweige denn seine Originale) erhalten. „Ich konnte die Serie nicht komplett nachlesen. Als ich sie jetzt wieder gelesen habe, dachte ich mir: Habe wirklich ich das gemacht? Ich hatte es schon halb vergessen. Die Karl-May-Bücher, die ich als Achtjähriger gelesen habe, hatte ich besser im Kopf.“
Schließlich traf ich mich mit der Illustratorin und Comiczeichnerin Stefanie Wegner zum Interview (auf dem Foto am Stand mit ihrem Mann Timo Müller-Wegner). Sie hat unter anderem einen Großteil der „Drei ??? Kids“-Bücher illustriert (ein paar übrigens auch unser großer Meister Kim). Wie sie erzählte, kam sie eher durch Zufall an diesen Auftrag, der sie aber nachhaltig geprägt hat. Heute kann sie kaum noch verstehen, wie ein Zeichner etwas produziert und das dann auf gut Glück Verlagen anbietet. Sie geht da heute nach eigenen Worten effizient vor: Zuerst überlegt sie sich, was ein Verlag brauchen kann, und dann zeichnet sie genau das, was in sein Programm paßt. Nur mit Comics hat das noch nicht funktioniert…