Zunächst einige Bemerkungen zu Arris Werk.
Ich halte Arri selbst für einen der Zeichner, die hier das obere Ende der Fahnenstange bilden (und mich selbst zähle
ich ausdrücklich nicht zu dem erlauchten Kreis). Einige der Zeichner hier erreichen ein Niveau, von dem ein Feld-Wald-
Wiesen-Hobbycartoonist wie ich nur träumen kann.
Ich halte die Panels für ungewöhnlich gelungen. Arri zeichnet aber nicht nur auf einem sehr hohen Niveau, und offenbar
hat er auch die Geduld und das Feuer, eine längere Strecke durchzuhalten. Das ist für uns Zeichner mindestens genauso
wichtig wie das kunstvolle Stricheln selber. Ich sage das aus der fast 30jährigen Erfahrung heraus, in denen ich meinem
Vogel jetzt schon Leben einzuhauchen versuche (Davon knapp 10 Jahre jetzt fast wöchentlich).
Die Zeichnungen sind nicht nur handwerklich außerordentlich gut ausgeführt, dazu gibt es weiter nichts neues zu sagen.
Vor allem holen sie mich aber auch emotional ab. Die Atmosphäre ist durch das Spiel mit den "Kameraperspektiven"
unglaublich dicht, einzelne Situationen werden immer wieder neu beleuchtet. Arri nutzt die neuen techniken in einer
Weise, die ich nur bewundern kann. Klasse!
Zum Nebenthread "professionelles Zeichnen":
Ich habe als junger Mensch auch davon geträumt, mein bescheidenes Talent in angemessenem Umfang zu vermarkten
und davon auch leben zu können. Ich denke, das geht den meisten jungen Zeichnern so. Und solange ich diesen Traum
hatte, habe ich auch daran gearbeitet, besser zu werden, neue Fertigkeiten zu erlernen und mich weiterzuentwickeln.
Bei mir hat damals der "Verstand" gesiegt, und statt eine -wie auch immer geartete) künstlerische Ausbildung anzustreben,
habe ich mich zu Beginn meiner Karriere für den sicheren Weg eines Schiffahrtskaufmanns entschieden. Auch ein sehr
schöner Beruf, der mir Spaß macht und mich ausfüllt.
Aber je länger ich in dem Beruf gearbeitet habe, desto mehr habe ich auch meine eigentliche Vision schleifen lassen.
Ich habe mich nicht mehr weiterentwickelt, war zufrieden mit dem, was ich konnte (und das war wirklich nicht berauschend)
und habe langsam immer weniger gezeichnet. 2005, im zarten Alter von 35 Jahren lernte ich meine spätere Frau kennen,
ein Jahr später haben wir geheiratet. Sie wußte nicht einmal, daß ich einmnal zeichnerische Ambitionen gehabt habe, ja
nicht einmal, daß ich überhaupt zeichnen kann (und das sage ich hier im vollen Bewußtsein meiner grafischen Unzulänglichkeiten:
Ja, ich KANN zeichnen!).
Im Jahre 2011, wir waren schon 5 Jahre! verheiratet, saß ich eines Abends am Computer. Sie wollte irgendwas anfertigen,
eine Glückwunschkarte oder wasweißich, und fragte mich, ob ich eben nach dem Bild eines Cartoonfrosches googeln könne.
Ich sagte, daß ich das natürlich könne, aber ich könne ihr auch einfach einen Frosch zeichnen. Zweifelnd sah sie mich an,
erwidernd, daß es schon ein "richtiges" Bild sein solle. Ich entgenete, daß ich durchaus das richtige Ende eines Stiftes nicht
nur finden, sondern auch führen könne. In meiner Ehre gepackt zeichnete ich ihr den gewünschten Frosch.
Mit großen Augen guckte sie auf das Bild (ich war recht eingerostet und der Frosch entsprechend schäbig): "Ey, Du kannst
det ja wirklich! Da wußte ich ja jar nüscht von!"*. Ich erzählte ihr, daß ich seinerzeit sogar einmal davon geträumt habe,
professioneller Zeichner zu werden- und auch mal einen Cartoonvogel namens Gordon entwickelt hatte. Den hätte ich allerdings
vor 20 Jahren zuletzt gezeichnet. "Zeich mir den doch mal!"- und so zeichnete ich 2011, nach fast 20 Jahren, wieder einen
Gordon. Noch reichlich schlecht, denn ich war wirklich sehr eingerostet.
Aber das Feuer war wieder entfacht. Eine kleine Flamme zunächst nur, aber ich hegte und hütete sie und blies sie sanft an.
Ich wollte wieder weitermachen. Wieder Welten erschaffen oder blödsinnige Kalauer ins Bild setzen, so wie früher.
Meine Fertigkeiten hatte ich lange eingebüßt, und so war es ein steiniger Weg, bis ich langsam wieder besser wurde. Auf der
Suche nach Übungen und Tipps bin ich 2012 über dieses Forum gestolpert.
Hier haben mir Kim und viele weitere Zeichnerinnen und Zeichner mit wertvollen Tips weitergeholfen, ich habe manch gut
gemeinte aber für mich dennoch schmerzvolle Kritik (die aber immer fair, berechtigt und sehr konstruktiv war!) bekommen.
Ich lernte Copics kennen (von denen ich noch nie gehört hatte), bekam Hinweise für besser Sprechblasen, Textgestaltung,
Bildaufteilung (Danke insbesondere Mandelbrot, Peter, Etainee, Qualle und natürlich Kim!). Vor allem aber bekam ich wieder Lust,
besser zu werden, habe geübt und gezeichnet, gezeichnet, gezeichnet.
Warum erzähle ich das alles
nochmal?
Weil man nur einmal jung ist. Und nur dann die Chance hat, sich auszuprobieren, die Kraft, sich durchzubeißen und sorglos
genug ist, auch mal gegen alle Vernunft zu handeln. Hätte ich Kinder, und diese bestürmten in jungen Jahren mich mit der Bitte
um Unterstützung sich musisch uzu betätigen: Ich würde es tun. Ihnen zuraten. Sie fördern. Auch eine Zeit durchfüttern.
Egal ob sie zeichnen wollten, malen, musizieren, töpfern, tanzen oder was auch immer.
Nutzt die Jugend, um Euch auszuprobieren. Später, im Beruf, habt ihr kaum noch Zeit dazu (so war es zumindest bei mir).
Aufs Forum bezogen: Zeichnet. Werdet besser. Beißt Euch durch. Nicht jeder mag zum
Star werden, und Franquins, Morris', Uderzos, Hergés oder Disneys sind selten. Trotzdem: macht es.
Wenn nicht jetzt- wann dann?
Ausgeträumte Grüße
Fraro
*) Preisfrage: In welcher deutschen Großstadt ist meine Ex-Frau aufgewachsen?