Das ist jetzt etwas, was ich zwar nicht "schon immer" sagen wollte- aber zumindest seit etwa 2 Jahren und 3 Monaten. Ich muß dazu ein bißcgen ausholen.
Stell' Dir vor, Du bist Kapitän auf einem großen Schiff und hast z. B. 80.000 to Stahl in Hamburg für Port Kelang geladen. Du weißt als Diplom-Nautiker (der jeder deutsche Kapitän ist), daß Port Kelang der Hafen von Kuala Lumpur / Malaysia ist, und Du findest da auch problemlos hin. Navigation ist schließlich Dein Handwerk.
Was Du aber nicht weißt: WO in Port Kelang mußt Du denn hin? Also in welches Hafenbecken, und an welchen Liegeplatz? Wie kommst Du dahin? Wie sind die Tiden- und Stromverhältnisse? Woher bekommst Du Lotsen und Schlepper? Woher die Leute, die Dein Schiff löschen (entladen)? Vielleicht ist einer Deiner Seeleute krank und muß dringend zum Arzt, aber wo ist der? Du brauchst nach einer vier- bis sechswöchigen Seereise dringend Proviant und Wasser für deine 25 Matrosen und Offiziere, evtl. auch Ersatzteile für Schiff und Maschine. Oder Techniker, die einen Defekt beheben. Zoll, Hafenamt, Wasserschutzpolizei, Hafengesundheitsamt, diverse andere Behörden kommen an Bord und texten Dich in einer Sprache voll, die Du nicht beherrschst, kassieren Gebühren in einer Währung, die Du weder kennst noch in der Tasche hast. Dazu hast Du morgen Hochzeitstag und willst deiner Frau einen Strauß Blumen schicken.
Für alles das (und noch viel mehr) hast Du in Port Kelang einen Ansprechpartner, der das alles für Dich managt und arrangiert: Den Agenten. Genauer: Klarierungsagenten, oder auf Deutsch "Klarierungsmakler", denn in der Seeschiffahrt nennt man die Abfertigung eines Schiffes im Hafen
klarieren. Du hast dabei mit Leuten aus aller Herren Länder zu tun: Philippinos, Vietnamesen, Inder, alle möglichen Südamerikaner, Afrikaner, Russen, Amis, Skandinavier... und ab und zu sogar mit 'nem Deutschen. Und das macht die Sache interessant. Du mußt sehr oft aus dem Stegreif improvisieren, Dir nachts noch was zu einem in gebrochenem Englisch vorgetragenen Problem einfallen lassen und trotz allem noch nett zu den Leuten sein. Das nervt mitunter tierisch, macht aber auch viel Spaß.
Den Beruf eines Klarierungsmaklers habe ich von 1991 bis 2011 ausgeübt, in den schönen Hansestädten Bremen und Hamburg. Ich habe den Job von der Pike auf gelernt (der dazugehörige Beruf heißt "Schiffahrtskaufmann") und 20 Jahre lang mit ziemlich viel Spaß an der Sache ausgeübt. Im Jahre 2011 ist dann mein Chef gestorben und ich mußte schnell etwas anderes finden (ich zahle ja auch noch ein paar Jahre mein Haus ab, Arbeitslosigkeit ist da eher kontraproduktiv) und habe erfreulicherweise einen Job im mLotsenbüro Bremerhaven bekommen. Dort teile ich mit meinen Kollegen zusammen die Lotsen den jeweiligen Schiffen zu. Eine Tätigkeit, die ihren Mann ernährt- aber mir ehrlicherweise nicht sehr viel Spaß macht. Irgendwie hing ich an meinbem alten Beruf. Zudem ist das Jäckchen des öffentlichen Dienstes zwar warm- aber auch eng. Als Hafenagent hat man ungeheure Freiheiten, weil es kaum jemanden interessiert WIE man den Job macht- Hauptsache, alles funktioniert (und kostet nichts). Hier ist es nun eher so, daß es zwar wichtig ist, daß alles funktioniert-es ist aber auch sehr wichtig, wie man das anstellt.
Warum erzähle ich das alles?
Weil ich heute einen Vertrag unterschrieben habe, der mich ab 01.04. wieder zum Schiffsmakler macht- und ich freu mir gerade die Hose runter.