Wie versprochen, ein paar Bemerkungen über „A Girl in a Band“. Ich habe eine Weile gebraucht, das Buch zu lesen; ich fand es schon interessant, aber es war nicht das, was ich erwartet hatte. Es gibt drei große Themen, die behandelt werden: Kim Gordon als Künstlerin (sie ist wohl hauptsächlich Performance-Künstlerin, mag diese Bezeichnung aber nicht), ihre Geschichte mit der Band „Sonic Youth“ und ihre Beziehung zu Thurston Moore – letzteres bildet den Rahmen des Textes und zieht sich auch unterschwellig durchs Buch durch. Daneben gibt es auch einen richtig autobiografischen Teil; sie schreibt da vor allem über ihre Jugend in L.A. und ihre Familie (Bruder, Eltern). Später ist sie zusammen mit Moore nach New York gezogen.
Kim Gordon ist keine Erklärerin; sie möchte dem Leser nicht etwas vermitteln, sondern sie schreibt teils voraussetzungslos und auch bruchstückhaft über Dinge, die ihr vermutlich wichtig sind. Es ist nun nicht so, daß man überhaupt nichts erfährt, aber vor allem in bezug auf Sonic Youth bleibt für mich vieles im Ungefähren: Ihr Verhältnis zu Musik, speziell Rockmusik, wie es zur Gründung der Band kam und wie sie sich entwickelt hat, Einblicke in die damalige Independent Szene, Gordons Anteil am Oeuvre und am Auftreten der Band, die Zusammenarbeit mit anderen Musikern und Bands. Es werden natürlich immer wieder Leute erwähnt, aber es wäre von Vorteil, wenn man über sie schon vorher genau Bescheid wüßte. Ich hatte mir vorgenommen, wichtige Künstler und Bands im Text zu markieren, aber da ist nicht viel zusammengekommen: Joni Mitchell, Los Blops, Destroy all Monsters, The Fall, Iggy Pop, Black Flag (Henry Rollins), New York Dolls/Heartbreakers (Johnny Thunders), DNA, Mars, Danielle Dax, Pussy Galore, Swans, Teenage Jesus and the Jerks, Velvet Underground, Creedance Clearwater Revival, Bad Seeds, Minutemen, Crosby, Stills, Nash & Young (Neil Young), Carpenters (Karen Carpenter), LL Cool J, Mudhoney, Nirvana (Kurt Cobain), Hole (Courtney Love), Smashing Pumpkins, Bikini Kill. Das auf knapp 350 Seiten. Mit vielen dieser Leute sind Sonic Youth einfach zusammen getourt oder aufgetreten.
Sie stellt es tendenziell so dar, als habe sie Sonic Youth nur als ein weiteres Kunstprojekt betrachtet und sei an Musik nicht sooo interessiert. Andererseits sagt sie aber auch, ihre Beziehung zu Moore habe sehr stark auf der Musik gefußt. Er war mal bei ihr zu Besuch und deutete auf eine Gitarre an der Wand: „Auf der habe ich auch mal gespielt.“ So begann angeblich die Beziehung. Harmonie war dann, wenn sie zusammen Songs gechrieben, aufgenommen und gespielt haben. Das paßt für mich nicht richtig zusammen. Sie deutet an, daß ihr das künstlerische Schaffen, die Ausstellungen, die Zusammenarbeit mit Galeristen immer viel wichtiger war. Da konnte ich noch weniger entnehmen, weil ich die New Yorker Kunstszene (speziell die der 80er und 90er Jahre) nicht kenne.
Was in ihrem Privatleben lief, hätte ich lieber der Yellow Press überlassen. Im ersten Drittel des Buchs ist das das Hauptthema, und in den letzten fünf Kapiteln beschreibt sie ziemlich ausführlich die Trennung von Moore. Sie kann es nur so beschreiben, daß er ein Schuft war und sich dazu noch wie ein Idiot benommen hat. Sie hat ihm immer wieder eine Chance gegeben, und er hat sie immer wieder betrogen. Erst am Ende, als sie sagte, es sei nun wirklich Schluß, meinte er, er wolle seine Familie nicht verlieren. Aber ich will das hier nicht ausbreiten – auf ein Buch darüber hätte ich gut verzichten können.
Das Buch ist nicht verrätselt, sondern man hat den Eindruck, daß Kim Gordon recht offen schreibt. Aber es gibt eben viele Lücken, viele fehlende Erklärungen, vieles, was vermutlich nur Insider und gute Bekannte verstehen können. Sollte ich Kim Gordon jemals persönlich kennenlernen, würde es sich bestimmt lohnen, das Buch nochmal zu lesen. Dann könnte ich an vielen Stellen sagen: Ah, das hat sie gemeint! – Mir kam in den Sinn: Vielleicht kann man das alles auch von meinem „Daphne“-Comic behaupten. Könnte gut sein, daß er auf Außenstehende genauso wirkt. Es ist wohl nicht jeder der beste Interpret seines eigenen Lebens. Aber ich kann sicher nur davon träumen, so viele Leser zu finden wie Kim Gordon. Ich habe gehört, das Buch sei sehr lange auf der Bestsellerliste der New York Times gewesen.
Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »Peter L. Opmann« (11. Januar 2019, 07:53)