Ich brauche ja häufig ein bißchen länger, um mir ein Urteil zu bilden. Gerade bei neuen Sachen, die ich noch nicht in einen Kontext einordnen kann, fällt es mir nicht immer leicht. Insofern hat es mir Steppke auch nicht leicht gemacht, einen Zugang zu ihm zu finden. Daß ich mir einer Berlinerin verheiratet bin, macht es nicht leichter- denn ein "Steppke" ist in deren Ductus ein kleiner Junge. Für mich sah es daher zunächst so aus, als würde sich ein Junge in die Rolle eines Detektivs hineinträumen.
Insgesamt finde ich die Zeichnungen recht gelungen, und was mir so auf den ersten Blick auffiel, wurde schon genannt (vor allem das beachten der Leserichtung macht vieles verständlicher). Nur die Ausarbeitung finde ich stark schwankend. Während einige Zeichnungen recht ausgearbeitet sind, wirken andere auf mich(!) so, als hätte der Zeichner mittendrin die Lust verloren. Wie gesagt, das ist meine ganz persönliche Wahrnehmung, jemand anderes kann das ganz anders empfinden.
Im Detail:
1. Ist eine der detailreicheren Zeichnungen. Ich habe aber einen gewissen Moment gebraucht, bis ich sie begriffen habe. Das muß nichts heißen, weil ich eh zu Begriffsstutzigkeit neige, und ein Gag ist ja oft umso besser, je weniger er sich auf den allerersten Blick erschließt. Ich habe mich nur gefragt "Warum fliegt der Herr auf die Tür zu?" gefolgt vom Gedanken "Achso, der fliegt nicht- der rennt. Und er hat den Hausschlüssel von Familie Frosta in der Hand. Warum aber rennt er?". Und erst bei dritten Hinsehen habe ich erkannt, daß Herr Steppke kniend mit der Lupe eine Kühlschranktür untersucht. Ich habe das schwarze Dings unten am Bildrand für Schattenwurf gehalten.
Hier würde es helfen, mit gängigen Klischees zu arbeiten. Die allermeisten Kühlschränke haben keine Klinke, und wenn die Lupe die Fingerabdrücke etwas rechts oder links von der Mitte der "Klinke" finden würde, dann hätte das viel weniger Ähnlichkeit mit einem Türschloß. Oder die Fingerabdrücke sind gleich AUF dem Griff- da würde man sie auch logischerweise am ehesten vermuten.
Schön finde ich das Muster des Fußbodens.
2. Ist eine der Zeichnungen, die auf mich wirken, als wenn die Motivation nicht mehr für den Rest gereicht hätte. Warum schweben da zwei Torsos in der Luft, und warum stehen die schief? Das sind die zwei Fragen, die mir sofort einfielen. Hier hätte es viel ausgemacht, wenn ein bißchen Hintergrund wenigsten angedeutet sein würde. Und wenn es nur eine Horizontale Linie ist- oder besser: Eine Zimmerecke. Das sind drei Linien, und die machen das Bild viel ... viel... viel... "kompletter". Ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll. Vollständige Personen sind für die Dialogszene nicht notwendig, die Arbeit hätte ich mir wahrscheinlich auch geschenkt. Es wäre trotzdem hübscher (im Sinne von "den Sehgewohnheiten entsprechend"), wenn sie gerade stünden. Dadurch, daß man keinen Unterleib sieht, kann man nicht auf die Pose der Personen schließen. Es wirkt ein wenig so, als würden die sich angeekelt voreinander wegbeugen. Es würde schon helfen, ein bißchen mehr Mensch zu zeigen, vielleicht so etwa bis zum Bauchnabel- und das dann bis zum unteren Bildrand runterzuziehen.
Ich versuche mal anzudeuten, was ich meine. Ich bin kein Computerheld, daher ist das reichlich schlecht- aber nur mal zum gucken, was ich sagen will. Ich habe die linke Figur etwa 45° im Uhrzeigersinn gedreht, die rechte 25° entgegengesetzt:
3. Ich weiß jetzt nicht, wie ich es sagen soll, ohne falsch verstanden zu werden. Glaube mir einfach, daß ich nichts von dem, was ich jetzt sage, böse meine, wirklich gar nichts. Ich gebe nur meine ganz eigene Ansicht wieder, und die kann auch völlig falsch sein. Stelle Dir vor, ich würde Dir das folgende mit einem Lächeln auf den Lippen ins Gesicht sagen!
Die dritte Zeichnung halte ich nicht nur für die Schwächste im Strip, ich halte sie für mißlungen. Da stimmt nichts- die Proportionen nicht, die Perspektive nicht, die Anatomie nicht. Das wäre an sich nicht so wild und ich würde es einfach abhaken als "das ist nunmal sein Stil, seine Handschrift" oder "…er kann es nicht besser." In beiden Fällen hätte ich nichts gesagt. Aber schon in der nächsten Zeichnung beweist Du, daß dies eben NICHT Deine Handschrift ist- und daß Du es VIEL besser kannst. Diese Zeichnung wirkt auf mich wie lieblos hingepfuscht. Sie fällt daher im Kontext der sie rahmenden viel besseren Zeichnungen negativ auf.
4. Ist wieder vieeeeel besser. Eine interessante Perspektive, schwungvoll in Szene gesetzt. Keine riesigen leeren Flächen im Hintergrund, dafür schöne Details beim Mobiliar. Das einzige, was man wirklich bekritteln könnte, wäre, wenn man fragte, warum der Bilderrahmen im Hintergrund nicht perspektivisch dargestellt ist wie Stuhl und Tisch. Aber das wäre wirklich kleinlich.
Eine schöne Zeichnung!
5. Auch eine sehr schöne Zeichnung, allerdings ist für meine Augen ein "Hoppla!" drin: Der linke Arm des Jungen. Ich gehe davon aus, das Herr Steppke dem Dieb nicht den Arm gebrochen hat- dann ist er aber unglücklich "montiert"…
Aber nicht so schlimm, der Schmiß im Bild reißt das locker wieder raus.
6. Ist für mich wieder eine Zeichnung, bei der der liebe Arno keine Lust mehr hatte und schnell fertig werden sollte.
Herr Steppke wirkt hier (wie sein Name mir ja eh suggerieren will) wie ein kleiner Junge. Aber worauf steht er da? Ist das ein Teppich? Wenn ja, warum fliegt der? Oder ist das eine Treppenstufe? Und warum hat Herr Steppke eine Hose an, die aus dem gleichen Material besteht wie der Fußboden? Mama und Filius sind gut getroffen, aber ich finde es immer ein wenig "unvollständig", wenn eine Figur so unmotiviert mitten im Bild aufhört. Schieb die einfach bis an den unteren Bildrand, wenn Du keine Lust mehr hast, auch noch Unterkörper zu zeichnen. Das ist eine viel elegantere Lösung!
Das war meine Einzelkritik. Wie ich schon sagte: Nichts davon ist böse gemeint. Wenn ich alles doof fände, hätte ich jetzt nicht fast eine Stunde lang an dieser Kritik getippt. Vielleicht habe ich ja auch nur Dein Konzept nicht begriffen (ich neige zu… s. o.). Ich habe nur aufgezeigt, was ich anders gemacht
HÄTTE. Aber meine Meinung muß nicht die allein selig Machende sein, im Laufe der Diskussion stellt sich vielleicht noch heraus, daß andere gerade DAS, was MIR nicht so gut gefällt, besonders gelungen finden. Der größte Zeichner des Forums bin ich eh nicht.
In erster Linie ist aber eh der Spaß am zeichnen wichtig- und der sprüht einem aus einigen Bildern sehr entgegen. Gerade auch die Retro-Optik Deiner Zeichnungen finde ich ganz toll. So ähnlich sahen Zeitungsstrips in den 50ern aus, und die gefallen mir sehr.
Gutmütige Grüße
Fraro